Jeder Mensch braucht Wärme. Für dieses Grundbedürfnis werden allein in Hamm jedes Jahr schätzungsweise 540.000 Tonnen CO2 ausgestoßen – rund 40 Prozent der Gesamtmenge. Dieser Wert muss sinken. In Hamm soll dabei jetzt ein „Fokuskonzept Wärme“ als Grundlage der kommunalen Wärmeplanung helfen. Stadt und Stadtwerke haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Bestand erfasst, Einsparpotentiale identifiziert und alternative Wärmeversorgungsarten für die rund 180.000 Einwohner der Ruhrgebietsstadt aufzeigt. Mit diesem Vorhaben übernimmt Hamm, das schon bis 2035 klimaneutral sein will, NRW-weit eine Vorreiterrolle.
Derzeit heizt Hamm noch zu über 90 Prozent mit fossilen Energien. Rund 45.000 Heizungen müssen bis 2035 umgestellt werden, will die Kommune ihr selbstgestecktes Klimaziel erreichen. Im Bestand sind etwa 38.400 Gasheizungen, wovon ein Drittel älter ist als 20 Jahre. Zudem gibt es ungefähr 5.800 Ölheizungen, bei denen fast die Hälfte älter als 20 Jahre ist. Außerdem bestehen laut den Zahlen der Schornsteinfeger-Innung sogar noch 800 Kohleheizungen in der Lippestadt. Auf der Habenseite stehen lediglich 360 Holzpellet-Heizungen, 1.750 Fernwärmeanschlüsse und schätzungsweise 800 Gebäude mit Wärmepumpen.
Die Erstellung des Konzeptes gliedert sich in fünf Arbeitsschritte: zunächst eine Analyse der bestehenden Gebäude- und Energieinfrastruktur. Zweitens folgt eine Abschätzung zu Sanierungsmöglichkeiten sowie zu Potenzialen von ungenutzten Energiequellen, wie Geothermie, Solarthermie, Grubengas, Biomasse, Abwärme und Stromquellen für Wärmeanwendungen. Darauf aufbauend schließt sich die Entwicklung eines Szenarios zur Dekarbonisierung des gesamten Wärmesektors bis zum Zieljahr 2035 an. Den Abschluss bildet eine Wärmewende-Strategie mit der Erarbeitung von zielführenden Maßnahmen zur Dekarbonisierung. Parallel erfolgt die Beteiligung von Schlüsselakteuren, wie Stadtwerke, Immobilienwirtschaft, Handwerk und Interessensverbänden. In rund einem Jahr soll das „Fokuskonzept Wärme“ auf dem Tisch liegen. „So wie wir beim Strom bereits gut vorangekommen sind, werden wir nun gemeinsam engagiert die Frage der Wärmewende angehen“, zieht Oberbürgermeister Marc Herter (SPD) eine Parallele. Fast 70% der von den Stadtwerken Hamm verkauften Strommenge sei bereits klimaneutral – ein Spitzenwert im deutschlandweiten Vergleich.
„Wärme gehört wie Strom zur Daseinsvorsorge, deshalb darf die Herausforderung der Umstellung auf regenerative Energien nicht allein auf die Bürger abgewälzt werden“, stellt Herter mit Blick auf die aktuell diskutierten gesetzlichen Vorgaben zum Heizungstausch klar: „Genau da setzt die kommunale Wärmeplanung an: Gemeinsam mit den Stadtwerken als Grundversorger schauen wir uns Quartier für Quartier mit dem Ziel gemeinsamer regenerativer Wärmelösungen an. Damit wird die Umstellung der eigenen Wärmeversorgung planbar und durch passgenaue Quartiersangebote unterstützt. Als aktuelles Beispiel kann die Umstellung von 800 Wohnungen in der Westenheide auf Fernwärme dienen.“
Hintergrund der Studie ist es, die bisher ungenutzte Abwärme und die vorhandenen Potenziale an erneuerbaren Energien einzubinden und zu verwerten, während parallel immer weniger fossile Energieträger genutzt werden. Ein Baustein ist der Ausbau des Fernwärmenetzes sowie die Errichtung neuer Nahwärmenetze zur Unterstützung der regionalen Wertschöpfung, der Wirtschaftlichkeit vor Ort sowie der Resilienz der Stadt und der Einwohnerschaft gegenüber neuen (Energie-)Krisen. Es wird ein Fahrplan zur Klimaneutralität im Wärmesektor erarbeitet, welcher durch die räumliche Betrachtung allen Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern in Hamm Planungssicherheit hinsichtlich der am Standort sinnvollsten und wirtschaftlichsten Heizungsarten gibt.
„Wir möchten mit dieser Strategie einer Vorreiterrolle übernehmen“, begründet Oberbürgermeister Marc Herter die Auftragsvergabe. Derzeit sei eine bundesweite Pflicht zur Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung für Kommunen ab 10.000 Einwohnern in Arbeit. Zum Teil haben bereits erste Bundesländer, wie Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein, eine eigene landesweite Verpflichtung zur kommunalen Wärmeplanung für ihre Kommunen eingeführt. „Auch für Kommunen in NRW ist eine solche Pflicht absehbar, spätestens wenn das bundesweite Gesetz kommt. Darauf möchten wir vorbereitet sein und finanzieren das Konzept daher aus eigenen Mitteln, statt auf etwaige Fördertöpfe zu warten“, so Herter weiter.
Über den Vorstoß des OB freut sich auch das örtliche Handwerk: Das durch die KlimaAgentur Hamm betriebene Netzwerk der Heizungsbauer sieht einen großen Vorteil in der Planungssicherheit: „Für uns bildet dieses Konzept eine Grundlage für die Beratung zur Art der Heizungsanlage“, erklärt Innungsobermeister Ulrich Grommes. Nach Fertigstellung soll das Konzept auch der Öffentlichkeit zugänglich sein, sodass jede Bürgerin und jeder Bürger sich selbst darüber informieren kann welche Heizungsart am jeweiligen Standort zu empfehlen ist.
Erstellt wird die Studie von drei Einrichtungen aus dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich: dem Öko-Zentrum NRW zusammen mit B.A.U.M. Consult und der Klima und Energieeffizienz Agentur aus Kassel (KEEA). B.A.U.M. Consult und KEEA haben bereits langjährige Erfahrungen mit Energieleitplänen (Bayern) und kommunalen Wärmeplänen (Baden-Württemberg). Als in Hamm ansässiges Unternehmen kennt das Öko-Zentrum NRW die lokalen Gegebenheiten und Akteure. Zudem betreibt es bereits die KlimaAgentur der Stadt Hamm und kann die weitere Umsetzung durch die vorhandenen Netzwerke – insbesondere solche der Heizungsbauer und Energieberater – und Strukturen der Öffentlichkeitsbeteiligung begleiten und vorantreiben.
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